SPD Bad Dürrheim

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SPD-Kreisvorstand informiert sich bei Refugio Villingen

Veröffentlicht am 06.04.2015 in Allgemein

Immer mehr Menschen fliehen vor Krieg und Not, Verfolgung und Vertreibung. Etwa 40% der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge leiden an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die einer therapeutischen Behandlung bedarf. Eines der nur vier Behandlungszentren für diese Menschen ist Refugio Villingen. Hier wurden in im letzten Jahr 186 Menschen betreut, fast 30% mehr als im Jahr zuvor. Das Zentrum in Villingen ist zuständig für ca. 10 Landkreise im Südwesten von Baden-Württemberg. Beim Informationsgespräch konnten die Geschäftsführerin Dr. Astrid Sterzel und die Leitende Therapeutin Susanne Schupp (Dipl. Psychologin und Trauma-Therapeutin) den Vorsitzenden des Kreisvorstandes der SPD, Jens Löw, seinen Stellvertreter Dr. Bruno Arm sowie die besonders mit Migration befassten Vorstandsmitglieder Derya Türk-Nachbaur, Pascal Pestre und Nicola Schurr begrüßen.

Nicht nur über Zahlen und Kosten sollte gesprochen werden, sondern über Menschen und Schicksale. Und die Folgen davon, wenn die Politik entscheidet, dass ab einem gewissen Zeitpunkt ein Land zu sogenannt sicheren Herkunftsland erklärt wird. Die Therapeutin Frau Schupp berichtet die Geschichte von Familie O. aus Mazedonien. Diese Roma-Familie reiste 2011 mit 3 Kindern nach Deutschland, weil sie diskriminiert wurden und im Hass auf Roma ihnen das Haus angezündet wurde. Frau O. hat davon heute noch sichtbare Narben. Ihr Antrag auf Asyl wurde abgelehnt, sie wurden abgeschoben. Unter der dubiosen Begründung „Landesverrat“ kam der Vater für 7 Monate in Haft, die ohne väterlichen Schutz lebend Familie wurde drangsaliert und die 20 Jährige Tochter vergewaltigt. Sie floh – aus Scham und Angst  – und ist untergetaucht, weitere Drohungen bis hin zu Morddrohungen und Schlägen ließ die Familie 2013 mit den beiden verbliebenen Kindern, einer Tochter von 8 und eines Sohnes von 20 Jahren erneut fliehen. Refugio unterstützten die Eltern mit Psychosozialen Beratungen sowie getrennter Trauma-Therapie beider Eltern. Eine gewisse Beruhigung trat ein, der Sohn bekam eine notwendige medizinische Behandlung, die Tochter fand sich zusehends besser in der Schule zurecht. Dann wurde der Asylantrag abgelehnt, die Familie erneut in Panik – und das zurecht! Mitten in der Nacht, am Morgen des 20. Januar  um 4 Uhr, fahren 3 Polizeiwagen vor die Wohnung, die Türe wird gewaltsam aufgebrochen, die Familie wird nach Baden-Baden zum Flughafen gebracht und nach Mazedonien abgeschoben. Herr O. konnte sich verstecken und ist nicht mehr erreichbar. Über den ihn betreuenden Anwalt lässt er erklären, er würde „freiwillig“ ausreisen, weil die Familie in brauche. Für Refugio ist er nicht mehr erreichbar gewesen. „In der Statistik tauch diese Mensch dann wohl als Wirtschaftsflüchtlinge auf“, resümiert berührt Derya Türk-Nachbaur. „In der aktuellen politischen Hektik wird im Einzelfall nicht mehr geprüft, ob jenseits der politischen Verfolgung nicht auch andere Gefährdungen des Lebens und der Entwicklung vorliegen“. Und Pascal Pestre und Nicola Schurr, die beiden Organisatoren der friedlichen No-Pegida-Veranstaltungen, sehen da deutlich bestätigt atmosphärischen Einfluss von fremden- und islamfeindlichen Gruppen von rechts wie Pegida. „Erfährt man mehr von solchen erschütternden Schicksalen, so verbietet sich die wachsende politische Kälte“.
Nicht nur der politische,  auch der finanzielle Rahmen für diese wertvolle Arbeit wird zusehends enger. Die Fördergelder des Europäischen Flüchtlingsfond werden durch eine Umstellung verzögert ausbezahlt und werden frühestens im Mai erwartet, dafür sind die Landesmittel in diesem Jahr etwas erhöht worden, entscheidend: ohne die Unterstützung der Zivilgesellschaft, also überlebenswichtigen Spenden  von Bürgerinnen und Bürgern sowie Stiftungen könnte diese wertvolle Arbeit nicht geleistet werden. Mit dieser ständigen prekären Finanzierungs- und Liquiditätsunsicherheit lernte Refugio leben, mit der Konsequenz: Nur drei hauptamtlich angestellte Mitarbeiterinnen, neben Frau Sterzel und Frau Schupp noch Frau Veronika Herz für die Sozialberatung. Die übrigen therapeutischen Fachkräfte arbeiten nur auf Honorarbasis, in der Familienbetreuung helfen auch Ehrenamtliche. Dieses labile Gleichgewicht wird nun existenzgefährdend bedroht durch die Novellierung des Asylbewerber-Leistungsgesetzes, das am 1. März 2015 in Kraft getreten ist. Nach diesem werden Asylbewerber/innen, die seit mehr als 15 Monaten in Deutschland leben, die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zuständig. „Das klingt auf den ersten Blick ja positiv“, so Dr. Sterzel, „ist aber im Detail sehr nachteilig für die Patient/innen und die Finanzlage der Psychosozialen Zentren.“ Menschen, die erst seit 15 Monaten in Deutschland leben, können in der Regel nicht genügend Deutsch, um eine Psychotherapie in Deutsch machen zu können (80-90% der Patientinnen brauchen Dolmetscherdienste - in Villingen in über einem Dutzend Sprachen), diese werden von den GKV grundsätzlich nicht erstattet. Auch ist die Psychotherapie ist keine Regelleistung und muss stets im Einzelfall beantragt werden. Das ist mit einem enormen administrativen Aufwand verbunden. Das Geld für Übersetzung fehlt, Ressourcen für diese Antragstätigkeit fehlen bzw. geht dann der eigentlichen therapeutischen Betreuung der Menschen verloren. Zu befürchten ist, dass die meisten Therapien, die den Zeitraum von 15 Monaten  überschreiten, abgebrochen werden müssen. Frau Schupp als therapeutische Leiterin konkretisiert: „Zuerst kommen die Flüchtlinge in den Erstaufnahmestellen an, Materielles und Rechtliches steht im Vordergrund, irgendwann nach Wochen oder Monaten kommt eine Konsultation in einer psychiatrischen Praxis zustande, dann die Überweisung und Wartezeit(etwa ein halbes Jahr) bei Refugio, es reicht dann gerade zu diagnostischen Abklärungen und stützenden Gesprächen – dann folgt Ungewissheit und die Therapie (die seither dann über die Landkreise finanziert war), findet nicht statt.
Der Kreisvorsitzende Jens Löw und Dr. Sterzel waren sich einig: „Sicherheit – für die betroffenen Menschen und die Psychosozialen Zentren -  kann nur eine Strukturfinanzierung schaffen. Das heißt: die öffentliche Hand finanziert mit Steuermitteln einen existenzsichernden Teil der Psychosozialen Zentren .Es handelt sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen um eine gesellschaftspolitische Aufgabe, und auch der Nutzen der Integration kommt der Gesellschaft zugute.“ 

 

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